Von Hospenthal nach Ulm, Donau und Rhein-Main-Donaukanal

Wie bereits erwähnt, wollte ich die Strecke Andermatt – Oberalppass mit der Eisenbahn zurückzulegen. Beinahe wäre mir das auch gelungen. Von Hospenthal verabschiedet, ging es bergab nach Andermatt. Ein kleiner Stadtbummel, ein paar kleine Andenken gekauft, dann zum Bahnhof. Während der Wartezeit, und das war für mich ein filmischer Leckerbissen, fuhr die Postkutsche vor, Die Gäste wurden eingeladen und fünfspännig ging es unter Hörnerklang Richtung Gotthard – Airolo.
Dann kam mein Zug. Alles einladen, Fahrrad hinterher schieben und schon ging es los. Wie schon erwähnt, war ich diese Strecke mit dem Fahrrad in umgekehrter Richtung gefahren, dabei hatte ich nicht bemerkt, dass unterwegs eine Haltestation war. Der Zug hielt und ich stieg aus. Als ich meinen Fehler bemerkte, war nichts mehr zu machen, der Zug fuhr ohne mich weiter. Ein Getränk konnte ich auf der Station kaufen, eine einladende Bank hatte ich schnell erspäht und so habe ich einen schönen Ausblick über die Landschaft um Andermatt genossen und fotografiert. Die Wartestunde war schnell vorbei und der nächste Zug nahm mich mit nach oben.
Hier am Oberalppass hat es in den letzten Jahren viele bauliche Veränderungen gegeben. Ich lud mein Gepäck auf und fuhr weiter. Kurz hinter der Passhöhe habe ich mich an den Hang gesetzt und einfach nur die Landschaft genossen.


Die Serpentine kurz hinter der Passhöhe

Noch ein letzter Blick auf die Serpentine, dann begann die Talfahrt. Der Fahrtwind im Gesicht fühlte sich gut an, ich habe es genossen und hatte nach kurzer Zeit Tschamut erreicht.


Hotel Rheinquelle in Tschamut

Das Hotel Rheinquelle (ich war jetzt am Vorderrhein) war ge-schlossen. Allerdings gab es im Hof einen Imbiss, gut und preiswert. Das Wetter änderte sich, ein fernes Donnern kündigte ein nahendes Gewitter an. Nach einigen Warteminuten habe ich gewagt weiterzufahren und es wurde auch spannend. Mal war ich vor, mal hinter dem Regen, meist aber auf trockener Straße. So ging es gut weiter bergab. Disentis Muster lag schon bald hinter mir, so habe ich Ilanz angepeilt zum Übernachten. In der Nähe von Rueun habe ich dann den Wettlauf mit dem Regen verloren. Mir blieb keine Zeit, die Regenkleidung auszupacken und anzuziehen, so schnell war der Regen da. So gab es nur noch, “Augen zu und durch.“ Pudelnass habe ich Ilanz erreicht und eine Unterkunft gefunden.
Nachteilig war dass, ein nationaler Feiertag der Schweiz für eine unruhige Nacht sorgte. Am anderen Morgen hatte sich das Gewitter verzogen, die Luft war klar und rein, richtig gutes Fahrwetter. So war ich dann auch recht schnell in Valendas. Hier steht der größte hölzerne Dorfbrunnen Europas aus dem Jahre 1760.
 

Der Brunnentrog von Valendas

Nun war die Rheinschlucht, die zweitgrößte Schlucht der Schweiz, nicht mehr weit entfernt. Bedingt durch den Wetter-umschwung fuhr es sich sehr gut und nach ein paar kleinen Rastpausen war auch die Rheinschlucht schon erreicht, im Reiseführer als „Grand Canyon der Schweiz“ bezeichnet.

Die Rheinschlucht, hier der Vorderrhein

Die Strecke wurde leichter, Bonaduz war in greifbarer Nähe. Einkaufen, einen schönen Platz zum Essen suchen und Mittagspause machen, Radkarte überprüfen, Strecke festlegen, noch ein, zwei Telefonate führen, dann ging es wieder weiter. Schon früh hatte ich Chur erreicht und so fuhr ich weiter auf dem Rheindamm Richtung Bodensee. Ein leichter Rückenwind half mir bei meiner Fahrt, aber der Abend kam näher und eine Unterkunft musste bald her. Den Rheindamm habe ich dann verlassen und nach einigen erfolglosen Versuchen bin ich in Sargans unter gekommen.
Der Tag war sehr erfolgreich, knapp 130 km hatte ich zurückgelegt, und mein körperliches Befinden gab keinen Grund zur Klage. Ich fühlte mich gut, zwar müde und hungrig, aber das sollte normal sein bei der Tagesstrecke und mit rund 40 Kg Gepäck. Duschen, im Freien Abendbrot essen und noch ein wenig die Füße vertreten, dann schläft man auch gut.


Sargans bei Nacht

Sonnenschein hat mich am anderen Morgen, einem Sonntag, geweckt. Es war nicht nur Sonntag es war auch Sonntagswetter und ich allein auf dem Rheindamm Richtung Norden. Eine Holzbrücke über den Rhein fand meine Aufmerksamkeit und ich fuhr an das andere Ufer. Damit hatte ich die Schweiz verlassen und war im Fürstentum Liechtenstein. Nach einer Besichtigung der Stadt Vaduz bin ich auf Liechtensteiner Seite weitergefahren und war dann plötzlich in Östreich. Dabei habe ich erfahren, dass das Fürstentum auch schon einmal Fahrradnummernschilder eingeführt hatte. Ein älteres Ehepaar aus Liechtenstein hat mich begleitet und es war schön, ein Stück Weg in Gesellschaft zu fahren.
Irgendwann musste ich wieder in die Schweiz zurück, denn für die Nacht hatte ich in Rorschach gebucht. Die Jugendherberge Rorschach ist im Schwimmbad. Herbergsgäste können bis 21:00 Uhr kostenlos das Schwimmbad benutzen. Wer möchte und kann, für den steht der Bodensee die ganze Nacht zu Verfügung.
In der Nacht kam leichter Regen auf, ich wollte auf die andere Seite, (deutsche Seite), des Bodensees. Das Wetter wurde schlechter und in Lindau habe ich dann wieder Quartier genommen. Abschied von Schweiz und Bodensee. Meine Vorstellung war, durch das Allgäu nach Ulm an die Donau und über den Donau-Bodensee-Radweg zu fahren. Das Allgäu ist eine wunderschöne Landschaft, die Berge sind nicht ganz so hoch wie in der Schweiz, aber in dieser Richtung war mein Bedarf auch gedeckt. Das Wetter war herrlich und von jedem Gipfel bzw. höchstem erkletterten Punkt habe ich die Fernsicht genossen.
Die Bettensuche war zeitweilig etwas schwierig, aber nette Menschen haben mir überall geholfen, sowohl bei der Suche nach einem Schlafplatz, als auch dann, wenn mal der Wegweiser nicht zu finden war. Das schönste Erlebnis hatte ich etwa 60 Km vor Ulm. Die Beine hatten wieder einmal an einen Streik gedacht und ich wollte nachgeben. Leider fand ich kein Bett, die Ortschaften waren für Fremdenverkehr offenbar nicht eingerichtet. Dann kam ich in einen kleinen Ort-Gaststätte Fehlanzeige! Eine junge Frau, die meine Suche beobachtet hatte, kam auf mich zu mit der Frage: «Kann ich Ihnen helfen?» «Ich suche eine Unterkunft.» «Wir haben auch ein Fremdenzimmer, fahren aber morgen in Urlaub, aber dann fahren sie ja auch,» Der Mann wurde gerufen und ich hatte ein Bett-und was für eins! Den Abend mit dieser Familie werde ich so schnell nicht vergessen, so gut bin ich selten aufgenommen worden. Ein schönes Duschbad, ein fantastisches Abendessen, Getränke wie bei einer Fete und nach einer erholsamen Nacht ein Frühstück vom Allerfeinsten. Da wurde der Radlopa so richtig verwöhnt, es war ein wunderschöner Abend.
Die Fahrt nach Ulm am anderen Morgen war problemlos, ich wollte noch vor der Mittagspause in der Jugendherberge sein, meine Wäsche brauchte eine Waschmaschine und genau das habe ich auch geschafft. Abends konnte ich die Wäsche trocken von der Leine nehmen. Der Abend trübte ein, aber am anderen Morgen war wieder absolut gutes Wetter. Geplant war, von Ulm nach Regensburg zu fahren ohne sichere Unterkünfte vorab zu reservieren. Tägliche Routine, Fahrrad packen, frühstücken und dann „hinaus in die Ferne“. Natürlich musste ich das Ulmer Münster noch sehen, denn dieses Bauwerk war schon in meinen Schulbüchern erwähnt. Einige Fotos, ein Stück Film, dann weiter an die Donau Richtung Regensburg.
Es fuhr sich schön, ein leichter Wind kam auf, der auch noch von hinten kam, eine schöne Hilfe. Im Laufe des Tages frischte der Wind auf, wurde immer stärker und zum Abend hin hat er mich buchstäblich geschoben. Der Wind hat mir geholfen die Jugendherberge in Donauwörth zu erreichen, er hat mich fast hingeblasen.
Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne geweckt, sie lachte mir direkt durchs Fenster zu. Beim Packen des Fahrrades hatte ich eine nette Gesellschaft, ein Ehepaar mit zwei Kindern. Im Gespräch ergab es sich, dass wir die gleiche Strecke hatten, und so sind wir zusammen geblieben. Für mich war es sehr schön; wenn man immer allein ist, verlernt man das Sprechen. Wir kamen gut vorwärts mussten uns aber in Ingolstadt trennen und haben uns dann nicht mehr getroffen. Später erfuhr ich dass ein Plattfuß bei ihnen noch zu einem Zwangsaufenthalt geführt hat.
Ich habe meinen Weg an der Donau fortgesetzt, wobei ich, wir ich im Nachhinein erfuhr auch verbotene Wege gefahren bin.
An der Fähre in Eining erfuhr ich im Gespräch, das dass letzte Schiff in Weltenburg bereits um 18:00 Uhr ablegt. Jetzt war Eile geboten. Die kurze Rast musste genügen denn das Schiff wollte ich unbedingt erreichen. Ursprünglich hatte ich geplant, eine schöne Brotzeit mit einem Klosterweizen zu genießen. Noch einmal Kloster Weltenburg zu besichtigen und dann gegen 20:00 Uhr per Schiff Kelheim anzusteuern. Der Plan ging schief, Essen und Trinken konnte ich gerade noch einpacken, Schiffskarte lösen und ab zur Anlegestelle. Vom Schiff aus habe ich meinen Sohn über die neuen Umstände informiert und als wir in Kelheim einliefen, wurde ich schon erwartet. Nun ging alles ganz schnell, Gepäck und Fahrrad ins Auto, los ging es nach Obertraubling. Hier wurde die Brotzeit nachgeholt und natürlich auch das Weizenbier und dann musste Papa Bericht erstatten, schließlich hatte er ja etwas erlebt. Der Freundeskreis meines Sohnes war natürlich interessiert an dem was ich erlebt hatte und der Nachbar gab ein Abendessen mir zu Ehren.
Montag morgen Aufbruchstimmung, das Wetter war durchwachsen aber trocken. Die Altmühl war mein Ziel und so fuhr ich entlang der Donau wieder nach Kelheim. Mein Mittagessen hatte ich schon in Winzerkelheim eingenommen und ich suchte nach einer Buchhandlung, um mein Kartenmaterial zu ergänzen. Da riss plötzlich der Bowdenzug meiner Schaltung. Wo war die nächste Werkstatt? Direkt vor mir, ich musste keinen Meter schieben und diese Werkstatt hatte auch noch die Originalersatzteile für eine Rohloff Speedhub 500/14. Bis die Mechaniker von der Mittagspause zurück waren, hatte ich einen großen Teil selbst machen können und so war ich schon bald wieder auf Achse. Eine Buchhandlung, die passende Karten führte, konnte ich leider nicht finden.
Der Himmel verdunkelte sich, es war gerade noch möglich einen Unterstand zu finden, dann kam ein ziemlich schweres Gewitter. Danach lohnte es sich nicht mehr weiterzufahren. Kelheim hat eine Jugendherberge im Ortsteil Ihrlerstein. Wie alle Jugendherbergen, oben auf dem Berg, sehr hoch, sehr schön aber sehr schwer zu erreichen.


Blick von der JH Ihrlerstein Richtung Altmühl

Es war noch ein Bett frei und ich musste strampeln . Man schläft hier oben ruhig, das war mir bekannt, denn in 2007 war ich mit Clemens auch hier gewesen. Das Gewitter hat die Luft gereinigt; am anderen Morgen strahlte wieder die Sonne und ich war sehr schnell an der Altmühl. Fast zu schnell, denn in Beilngries habe ich den Anschluß an den Rhein-Main-Donaukanal verpasst und bin an der Altmühl geblieben.
Während der Vorbereitung zu dieser Tour war ich schon einmal in dieser Gegend gewesen und hatte in Riedenburg die Greifvogelwarte besucht und eine Vorführung genossen. Wer nach Riedenburg kommt, sollte sich das ansehen, so fantastisch nahe hatte ich noch keine Greifvögel erlebt.
Wie schon gesagt, hatte ich in Beilngries den Kanalanschluss verpasst und war plötzlich auf dem Weg nach Eichstätt. Nachdem ich meinen Irrtum bemerkt hatte, war es zum Umkehren zu spät. In Eichstätt war es schwer, eine Unterkunft zu finden, ich habe gerade noch ein Zweibettzimmer erwischt.

  
                  Domplatz zu Eichstädt bei beginnender Dunkelheit                      

Am folgenden Morgen, bei leicht bedeckten Himmel, ging es zurück nach Beilngries. Natürlich hatte ich mir vorher Eichstätt noch ein wenig angesehen, fotografiert und gefilmt.
Hilpoltstein wollte ich heute erreichen, denn dort hatte ich für zwei Nächte gebucht, Laut Wetterbericht sollte ein Regentag kommen, und er kam auch. Zum Abend des zweiten Tages wurde die Wetterlage wieder besser, die Fahrt konnte weitergehen.
Das nächste Ziel war Forchheim am Kanal. Der Dachgeber konnte mich nicht aufnehmen, hatte aber eine Adresse parat, die gut und preiswert war. Der Schiffsverkehr am Kanal war ziemlich stark; so stark befahren hatte ich diesen Bereich noch nicht erlebt, obwohl ich schon vier mal am Kanal entlang gefahren war. Das Besondere war, dass die Schiffe eine Größe hatten, wie ich sie auf Flüssen kaum gesehen hatte. Eine Länge bis 110 Meter und eine maximale Breite von fast 11 Metern. Bei Forchheim hatte ich Gelegenheit, einen solchen Riesen beim Schleusen zu beobachten. In die großen Schleusenkammern muss schon viel eingepumpt oder ausgepumpt werden um solch große Schiffe auf eine andere Schwimmebene zu bringen.
Die Sonne war am anderen Morgen wieder sehr freundlich. Gepäck fertig machen, Fahrrad holen, Gepäck aufladen, wie lange noch? Ich wusste, jetzt es geht langsam aber sicher nach hause. Ich überlegte mir eine neue Strecke zu suchen und einen kleinen Umweg zu fahren, doch ein Kassensturz ergab keinen weiteren Spielraum und so wurden die Gedanken auf die Heimfahrt ausgerichtet.


Kanalbrücke bei Hilpoltstein