Von Thal durch die Viamala zum Hinterrhein


Kleiner See bei St. Margrethen
  
Der Abschied von Thal fiel mir schwer, dort fühlt man sich einfach wie zu Hause. Hier war man nicht Gast, sondern man gehörte zur Familie, so gut wurde man behandelt.
Von St. Margrethen ging es dann auf sehr schönen Wegen Rhein aufwärts. Ein kleiner See wurde als Pausenort ausgewählt bei vollkommener Windstille spiegelten sich die Bäume im Wasser.
Einige Wasservögel ruderten kreuz und quer über den See und erzeugten kleine Wellen. Also, erst einmal gut frühstücken und dann weiter Richtung Chur. Der Weg war noch weit und das Wetter versprach sehr viel Wärme. Nach einigen Kilometern hatte ich das Flussbett des Rheins erreicht und mit leichtem Rückenwind kam ich gut vorwärts. Hier ist der Rhein beidseitig befahrbar, auf dem Damm ist eine Asphaltstrecke.
Chur habe ich am Abend erreicht. Gleich am Radweg war ein Fahrradladen und da ich meine Handschuhe verloren bzw. irgendwo liegen gelassen hatte, kaufte ich mir neue. Im Gespräch mit dem Inhaber war auch noch sehr schnell eine preiswerte Unterkunft vermittelt worden.
An dieser Stelle möchte ich eine Erfahrung loswerden: Mir macht es immer etwas Probleme in einem völlig fremden Ort eine Unterkunft zu finden, auch dann, wenn eine Adresse vorliegt. Hier in Chur hatte ich mein Navy auf den Lenker montiert und bereits nach 15 Min. mein Hotel gefunden. Eine praktische Erfindung, einziger Nachteil ist die geringe Akkuleistung - ständiges Nachladen gehört zum Pflichtprogramm.
Der neue Morgen ließ schnell die Sonne strahlen, es wurde richtig heiß und ich war wieder unterwegs. Richtung Thusis/ Viamala. Bei Rhäzüns am Ortsausgang gab es eine Seilbahn. Ich dachte zuerst, es sei eine Bahn für die Wintersportler, die oben auf dem Berg skilaufen. Doch die Seilbahn war in Betrieb, mein Fahrrad konnte ich unterstellen, und so bin ich mit nach oben gefahren. Erstaunen, hier oben war ein richtig schöner Ort: Feldis. Laut der Karte fast 1400 m hoch und hier war die Luft angenehm kühl. Nach einer halben Stunde fuhr die nächste Gondel zu Tal, ich war der einzige Fahrgast. Hier war jetzt Gelegenheit zum fotografieren und filmen.


          Blick von Feldis auf das gegenüberliegende Bergmasiv


Die Mäander des Hinterrheins, 

Die Gondel der Seilbahn fährt direkt über den Mäander

Mittagessen an der Talsstation schön im Schatten, dann ging die Fahrt weiter Richtung Thusis, denn die Viamala wollte ich noch erleben. Nach Thusis rückten die Berge immer dichter an die Straße, die Viamala konnte nicht mehr weit sein. Im Kartenmaterial : „Veloland Schweiz“ kann man nachlesen:“ Die fürchterlichste Schlucht in Rhätin nannte C.F. Meyer die Viamala.“ Südlich von Thusis sägte sich der Rhein 300 m tief in den schroffen Fels. Die Passage dieser Schlucht war in früheren Zeiten sehr gefürchtet. Bestätigen kann ich, dass die Felswände sehr dicht an der Straße stehen und das Wort Platzangst berechtigt ist, man fühlt sich schon eingeengt durch diese schmalen Durchgänge.

 Die Viamala

Der Abend kam näher, ich musste mich langsam darum kümmern einen Schlafplatz zu finden, also weiter bergauf. Alle Kraft noch einmal aktivieren, durch die Wärme und die Steigungen waren meine Beine schon streikbereit, nur den Streik durfte ich nicht zulassen. Das hätte bedeutet, zurückfahren nach Thusis und am morgigen Tag erneut die Steigungen bewältigen. Wie heißt es immer so schön:“ Augen zu und durch.“ Nur, die Augen sollte man hier nicht schließen, dazu ist die Landschaft oberhalb der Viamala einmalig schön. Bei 945 Höhenmeter habe ich dann Zillis erreicht und mich um eine Unterkunft bemüht. Ein schönes Zimmer in einer Gastwirtschaft, einen sicheren Fahrradplatz und gutes Essen, alles am gleichen Platz. Einkaufen konnte ich noch , eine Reihe Fotos machen und noch ein wenig trinken um den Tagesverbrauch wieder auszugleichen, dann hatte ich eine ruhige Nacht.
Mein Schlaf war tief, fest und traumlos, und der andere Morgen sah mich ausgeschlafen und erfrischt.
Auf meinen Wunsch hatte man das Frühstück früh vorbereitet und so konnte ich auch früh starten. Es war kalt, lange Hosen sollten im Gepäck bleiben, denn ich hatte noch keine gebraucht, aber die ersten Kilometer, bis die Sonne in das Tal scheinen konnte waren schon recht ungemütlich. Der Tacho zeigte 9° Celsius an. Vor 50 Jahren hätte mich das nicht gestört aber das war vorgestern. Die Fahrt war etwas leichter es war ein wenig flach, sogar ein paar Meter bergab, das änderte sich aber dann nach dem Ort Andeer. Ab Andeer war wieder klettern angesagt und ab hier wurde es auch wieder wärmer. Die Rofflaschlucht lag vor mir, eine Besichtigung hatte ich nicht vorgesehen, es hätte mich zu viel Zeit und Geld gekostet. Gegen 11:00 Uhr war ich am Suffner See, einem Stausee. eine 58 m hohe Bogenmauer hält das Wasser des Hinterrheins auf, es wird aber auch Wasser vom italienischen Lago di Lei eingeleitet. Der Suffner Stausee dient der Stromgewinnung. Beim Aufstieg neben dem Flußbett konnte man überall Warnschilder sehen die ein Betreten des Flußbettes verbieten.


                                                        

Der Suffner See 

Der Suffner See

Falls schnell Wasser gebraucht wird, besteht dann Lebensgefahr.
Ein kleiner Imbiss aus der Bordverpflegung dann sollte es weitergehen, aber in der Zwischenzeit hat sich eine Gruppe junger MTB-Fahrer eingefunden und alle waren neugierig, woher-wohin. Es haben sich nette Gespräche entwickelt, einige Tipps für die weitere Strecke wurden gegeben, dann trennten sich wieder unsere Wege, aber nur bis nach Splügen. Beim Mittagessen saßen wir alle wieder beieinander. Als Radlfahrer hat man sofort Kontakt mit anderen Radfahrern und das macht unser Hobby so schön. Die Pause in Splügen war dadurch etwas länger, meine Beine allerdings hatten nichts gegen eine verlängerte Pause einzuwenden.
Wenn man, in meinem Alter solche Touren fährt, darf man nicht immer mit der Wahrheit auf die Altersfrage antworten, es wird einem nicht geglaubt. Besser fand ich dann, die Frage offen zu lassen, oder allgemein zu beantworten. In einigen Fällen habe ich mich 10 Jahre jünger gemacht und hatte dann meine Ruhe.
Nach der verlängerten Mittagspause hatte ich nicht mehr die richtige Lust zu fahren, auch mit Rücksicht auf meine Beine und so beschloss ich,zwei Ortschaften weiter, in Hinterrhein die Nacht zu verbringen. In Nufenen habe ich eingekauft und dabei eine Schweizer Einrichtung kennen gelernt, die es bei uns schon lange nicht mehr gibt. In jedem noch so kleinen Ort gibt es einen Laden der den Ort mit dem Notwendigsten versorgt. Der Besitzer kann meist nicht davon leben aber da hilft dann die Gemeinde. Diese Läden sind je nach Ortsgröße nur am Vormittag, Nachmittag oder auch ganztägig geöffnet. In Nufenen war auch ein solcher Laden und da ich der einzige Kunde war, entwickelte sich ein richtig schönes Gespräch auf der Bank vor dem Haus mit Blick zum Ort.Viel über die Lebensweise der Menschen habe ich dabei erfahren, und auch warum dort noch manches so ist wie bei uns in der „ Guten alten Zeit“, es hat handfeste Hintergründe und die Schweiz legt sehr großen Wert darauf, dass es so bleibt. Sitzen bleiben durfte ich nicht obwohl wir bestimmt noch Gesprächsstoff für viele Stunden gehabt hätten, mein Strohbett stand in Hinterrhein und da musste ich noch hin.
Zwischen Nufenen und Hinterrhein war auch noch ein richtig großer Berg eingebaut, denn die normale Straße wurde repariert und war auch für Radlfahrer gesperrt. Noch einmal Action dann war ich am Ziel und wurde auch schon erwartet. Meine Gesprächspartnerin hatte mich ohne mein Wissen telefonisch angemeldet und ich war der einzige Gast, ich hatte eine ganze Scheune für mich. Nicht ganz, in der Nacht kam noch ein Ehepaar mit Kind. Die Herrschaften waren auf der Durchreise nach Italien und haben die Scheune mit mir geteilt. Geschlafen haben meine Bettnachbarn sehr unruhig und schon in der ersten Morgendämmerung haben sie die Scheune verlassen.
Einschlafen konnte ich nun nicht mehr, also bin ich auch aus meinem Schlafsack gekrochen und habe mein Gepäck geordnet. Dann, ein Schellenläuten auf der Straße. Kamera schnappen und nach draußen, ein nicht erwartetes Bild bot sich mir. Ein junger Mann zog mit einer Ziegenherde auf die Weide, leider ging alles so schnell vorbei, aber die Ziegen waren schon herrliche Tiere, farbig, mit und ohne Hörner und voller Übermut und natürlich sehr neugierig, mein Schnürsenkel wurde sofort probiert ob er essbar ist, wurde dann aber abgelehnt.
Das Frühstück wurde anschließend serviert und die Fahrt ging weiter. Heute wollte ich die Passhöhe des San Bernardino erreichen.